Ist Binnenschifffahrt nun öko oder nicht?

Annette Jensen: Kaum ein Schiff wird kommen

Le Monde diplomatique. Mai 2019, S. 22-23

 

In der deutschen Ausgabe der Zeitung Le Monde diplomatique ist ein sehr interessanter Artikel über die deutsche Binnenschifffahrt von Annette Jensen erschienen. Frau Jensen hebt einen riesigen grünen Teppich auf und zeigt uns das, was jahrelang drunter gekehrt wurde – und immer noch wird.

Der Artikel zeigt auf, dass das Image der Binnenschifffahrt als umweltfreundliches Verkehrsmittel vorgeschoben wird, um teure Infrastrukturprojekte an Wasserstraßen zu rechtfertigen. Schaut man aber genauer hin, würde die Umwelt durch solche Projekte sogar großen Schaden nehmen. Auch die ökonomische Bilanz sei verheerend.

In dem Artikel wird dargestellt, wie eine Allianz aus Interessensvertretern, Verwaltung und Planern mit zweifelhaften Methoden Projekte als „Infrastrukturmaßnahmen“ deklariert und durch die Öffentliche Hand finanzieren lässt, die aber „so gut wie nie“ von der Binnenschifffahrt genutzt werden.

Das Bohmter Projekt passt haargenau in dieses Bild. Auch hier wurden große Versprechungen gemacht, die niemals eintreffen werden, und damit Fördermittel abgegriffen. Auch hier wird die Vokabel „Infrastruktur“ beansprucht, auch hier wird das Argument: „Ein Schiff ersetzt 90 LKW“ vorgeschoben.

Aber auch hier kann die Sache nicht aufgehen, denn wenn ein Schiff nur zu einem Viertel beladen werden kann, ersetzt es keinen einzigen LKW. Denn dann fährt es gar nicht erst los!

 

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Kommentare: 7
  • #1

    Rolf (Dienstag, 04 Juni 2019 16:17)

    Hallo Herr Becker,
    Danke für die schnelle Antwort.
    Bei diesen Artikel sehe ich absolut keinen Bezug zum Hafen Bohmte.
    In dem Artikel geht es um deutsche Flüsse, speziel die Elbe, und das Problem des Niedrigwassers. Der Hafen liegt am Mittellandkanal und auch der Weg nach Hamburg ist über Kanäle erreichbar (bis auf das letzte Stück). Von daher kann man die Probleme der Elbe nicht auf das Kanalnetz übertragen (von Kanälen ist auch an keiner Stelle die Rede).
    2018 war auch der Rhein vom Niedrigwasser betroffen, die Kanäle nicht.

  • #2

    Martin Becker (Freitag, 07 Juni 2019 11:23)

    @ Rolf
    Ich muss Dir widersprechen. In dem Artikel geht es nicht in erster Linie um Flüsse, es geht um die Verquickung von Wirtschaft und Politik. Diese unheilige Allianz drückt auf Kosten der Steuerzahler Projekte in der Binnenschifffahrt durch, deren volkswirtschaftlicher Nutzen zumindest bedenklich ist und für die der angebliche ökologischer Vorteil gegenüber LKW-Transporten nur vorgeschoben ist. Die Elbe wird als besonders krasses Beispiel dargestellt.
    Laut HWL-GmbH sollen 3/4 aller Transporte von Bohmte aus nach Hamburg erfolgen. Da das Schiffshebewerk Lüneburg nur für Schiffe unter 100 Meter Länge geeignet ist, können Großmotorgüterschiffe (GMS) nicht den Elbe-Seiten-Kanal nutzen, sondern müssen ab Magdeburg die Elbe nutzen. Das sind 269 km (von km 340 Magdeburg Wasserstrkreuz
    bis km 609 Elbteilung gerechnet).
    Das Bohmter Hafenprojekt ist also sehr wohl von der Elbe-Problematik betroffen.
    Aber noch einmal, es geht in dem Artikel nicht in erster Linie um die Elbe, es geht darum, wie Projekte durchgezogen werden, die keinen Sinn machen. Und ein Containerhafen an einer Stelle, an der die Brücken für wirtschaftlichen Containerverkehr zu niedrig sind, ist eine unsinnige Sache.
    Das logische Vorgehen wäre, den Transportbedarf und alle behindenden Faktoren seriös zu ermitteln, bevor ein Hafen gebaut wird. Das wird hier aber nicht gemacht. Und genau das prangert der Artikel an.


  • #3

    Rolf (Freitag, 07 Juni 2019 16:30)

    Fraglich ist dann aber für mich, wie die Containerhäfen Minden, Hannover, Braunschweig etc. die alle den selben Weg haben, wirtschaftlich betrieben werden können? Das Minden gut läuft, geht ja auch das Münsteraner Studie hervor. Die Schiffe fahren als Schubverbände oder Europaschiff (steht u.a. auch in der Studie) über den Elbe-Seiten-Kanal...und die niedrigen Brücken scheinen ja auf der Strecke nicht zu sein.

  • #4

    Martin Becker (Freitag, 07 Juni 2019 19:26)

    Hallo Rolf,
    das entwickelt sich ja hier zu einer hitzigen Auseinandersetzung, wobei ich den Eindruck habe, dass Du uns unbedingt zeigen willst, dass wir Unrecht haben und dabei manchmal die Fakten etwas einseitig interpretierst.
    Zu Deinem Argument, dass die Münsteraner Studie bestätigt habe, dass der Hafen in Minden wirtschaftlich betrieben werden könne, daher – so Deine implizite Folgerung – wäre ein Hafen in Bohmte das ebenfalls.
    Schaut man genau hin, steht in der Münsteraner Studie: „Das Beispiel Minden beweist, dass Containerverkehre zu den Nordhäfen mit 2-lagig beladenen Europaschiffen funktionieren können. Dennoch sind solche Containerverkehre mit dem Europaschiff wenig zukunftsfähig. Daher wird mit dem Regio-PortWeser, der auch mit GMS angefahren werden kann, gerade ein neuer Umschlagstandort für Container geschaffen.“ (S. 3).
    Schaut man sich die Lage der beiden Häfen an, liegt Minden an einem Dreieck, Bohmte an einer Sackgasse, deren Eingang der Hafen von Minden blockiert. Es ist daher unwahrscheinlich, dass für Bohmte noch genügend Fracht übrig bleibt, dass also Bohmte funktioniert, weil Minden funktioniert. Eher im Gegenteil. Und ein großer Teil des Mindener Umschlags wird mit der Bahn gemacht, nicht per Schiff. Einen Bahnanschluss soll es in Bohmte aber nicht geben.

  • #5

    Rolf (Freitag, 07 Juni 2019 20:12)

    Mir geht es darum, dass das Klima geschützt wird und LKW/Fracht von der Straße kommen. Hierfür finde ich einen (Container)Hafen sinnvoll und man sollte unvoreingenommen Dinge hinterfragen und prüfen dürfen...

  • #6

    MB (Montag, 10 Juni 2019 16:26)

    Ja, Rolf, unvoreingenommen Dinge hinterfragen und prüfen, Klima schützen und LKWs auf Straßen reduzieren sind genau die Dinge, die wir tun.
    Weil:
    Da kommen ein paar Anzugträger, die einen Containerhafen bauen wollen und behaupten, dort 70.000 Container pro Jahr umzuschlagen. Das sind 95% der gesamten auf dem norddeutschen Binnenwasserstraßennetz bewegten Container. Oder 800% der Region Hannover.
    Das hinterfragen wir doch mal. Und bekommen keine oder nur wirklich saudumme Antworten („… in Richtung Hamburg über die Weser …“) [HH liegt an der Elbe!]. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat die Zahlen ebenfalls zurückgewiesen. Angebliche Interessenten aus der Wirtschaft, die den Hafen fordern würden, werden geheim gehalten. Wenn dann doch einmal einer präsentiert wird (Fa. Leiber aus Bramsche), stellt sich heraus, dass die eigentlich gar kein Interesse haben und nur vorgeschickt wurden.
    Das ist alles derart hanebüchen, dass man sich fragt, was wirklich dahinter steckt.
    Und da liegt halt die Verlagerung des Osnabrücker Hafens nach Bohmte sehr, sehr nahe.
    Wenn das so ist, wird es erheblich MEHR LKW-Verkehr auf den Straßen geben, weil Osnabrücker Hafen-Hauptkunde das Stahlwerk in GMHütte ist, das Eisenschrott vom Hafen per Hüttenbahn bezieht. Der müsste in Zukunft per LKW über die neu gebaute B51 erfolgen.

  • #7

    valentine (Dienstag, 11 Juni 2019 08:55)

    das ist schon eine interessante frage. ist binnenschiffahrt nun öko oder werden wir alle an der nase herumgeführt?
    wenn es nicht so ist, warum diese geheimniskrämerei? warum diese überhöhten zahlen? wer profitiert davon? ist das alles ein riesengreenwwashing?