Eigentlich sollten wir als Hafenkritiker froh sein über die "Machbarkeitsstudie". Denn mit einer fast schon naiven Offenheit posaunen die Auftraggeber damit ihre Invasionspläne heraus.
Von "Invasion" zu reden ist dabei nicht einmal übertrieben. Denn mit ca. 200 Hektar wäre die überplante Fläche nicht unbedingt eine kleine. Und die Studie formuliert mögliche Konflikte auch nicht gerade vorsichtig, sondern tritt ziemlich energisch als potenzieller Platzhirsch auf: "... Auch für die in dem Gebiet wohnenden Bürger der Gemeinde Bohmte ist ein entsprechendes Umsiedlungsprogramm aufzubauen, innerhalb dessen z.B. Baugrundstücke im Osten der Siedlung Stirpe als Ersatz angeboten werden." (S. 59)
Den Begriff "Umsiedlungsprogramm" kennt man tatsächlich eher aus autoritär regierten Ländern. In Demokratien geht man eigentlich etwas respektvoller miteinander um. Enteignungen sind dabei üblicherweise an ein Gemeinwohl geknüpft. Doch: HWL oder Stadtwerke Osnabrück AG können ein Gemeinwohl für sich nicht in Anspruch nehmen, weil sie privatrechtliche Unternehmen sind, das können nur staatliche Einrichtungen.
Weil: es gibt bereits eine sehr gut ausgebaute Hafeninfrastruktur in der Region, wie die Machbarkeits-studie in ihrer eigenen Bewertungsmatrix (s.u.) sehr schön darlegt. Teilweise gibt es sogar Leerstände bzw. Umnutzungen (z.B. das ehemalige Glücksklee-Gelände, das in der Matrix nicht auftaucht). Es gibt keinen Mangel an Häfen, die Konkurrenz ist groß, die Aktivitäten sind lebhaft. Der Markt funktioniert (was man u.a. auch daran erkennen kann, dass der Osnabrücker Hafen aufgrund ebendieser Konkurrenz immer stärker unter Druck gerät und ein Ausweichquartier sucht).
Für uns erscheint das Projekt daher eher als der Versuch der Betreiberin des Osnabrücker Hafens, ihren Marktanteil zu sichern und nicht an Dritte abzugeben, wenn sie den Betrieb in Osnabrück aufgeben muss. Das ist genau das Gegentail von "Infrastrukturmaßnahme", das ist purer Interessenkampf in Verbindung mit Brotneid.
Es ist sehr aufschlussreich, wie mit der "Machbarkeitsstudie" umgegangen wird. Anfangs und aus der Perspektive des aus wirtschaftlicher Sicht perspektivlosen Osnabrücker Hafens aus gesehen, erschien die Studie wie ein Befreiungsschlag und wurde auch als solcher vorgestellt und sehr begrüßt.
Später wurde die Studie dann (angeblich) abgelegt, jedenfalls als nicht mehr relevant bezeichnet (z.B. in der öffentlichen Veranstaltung am 3. Juni 2015).
Die "Machbarkeitsstudie" war Grundlage für die Standortfindung. Das heißt, die in der Studie formulierten Ziele, Auswahlkriterien und Ausbaupläne führten zur Auswahl des Standortes in Bohmte /
Stirpe-Oelingen. In der Studie wurde für das Projekt ein Ort gesucht und Stirpe-Oelingen als die beste aller Möglichkeiten ausgewählt. (Diese Kriterien müsste man an dieser Stelle eigentlich
gesondert kritisieren, sie erscheinen uns sehr auf die Wünsche der Auftraggeber hin orientiert. Mehr dazu später.)
Nachdem diese Auswahl stattgefunden hatte, wurde die "Machbarkeitsstudie" dann plötzlich als nicht mehr relevant erklärt. Stattdessen definierte man eine Marktbefragung unter regionalen Unternehmen als neue Entscheidungsgrundlage. (Leider wird diese Befragung noch restriktiver behandelt als die "Machbarkeitsstudie". Sie ist geheim. Wir wissen lediglich indirekt, dass 29 Unternehmen angeschrieben wurden und 12 (positiv?) geantwortet haben (Quelle, S.13). Wir können daher nicht sagen, was in der Befragung steht.)
Trotz der Geheimhaltung können wir feststellen, dass die aktuell vorliegenden Pläne zum Bau eines Containerhafens stark von den in der "Machbarkeitsstudie" vorgestellten Zielen abweichen. Statt eines 200 Hektar großen Universalhafens wird ein 2 Hektar großer Spezialhafen für Container geplant. Damit ändert sich der Charakter des Projekts grundlegend.
Wenn aber die Entscheidung für den Standort Stirpe-Oelingen nach Kriterien der Machbarkeitsstudie erfolgt ist, wird diese Entscheidung fragwürdig, wenn die Planungen und Absichten, die mit dieser Studie verbunden sind, jetzt nicht mehr gelten sollen. Die Kriterien für einen großen Industriehafen mit vollem Warenumschlagsprogramm sind naturgemäß andere als die für einen einsamen Liegeplatz für Containerschiffe. Wenn also eine Entscheidung für Stirpe-Oelingen gefällt wurde, um nach den Plänen der Machbarkeitsstudie dort ein großes Universal-Terminal mit Bahnanschluss zu errichten, heißt das nicht zwingend, dass die Entscheidung auch für die zurzeit geplante Mini-Lösung mit einem einzigen Container-Liegeplatz und LKW-Umladung richtig ist.
Eher das Gegenteil!
Die "Machbarkeitsstudie" mit ihren invasiven Industrialisierungsplänen hat uns ziemlich erschrocken und uns überhaupt erst auf die Idee gebracht, dass es einen Zusammenhang zwischen der Containerhafenplanung in Bohmte und der desolaten Situation des Hafens in Osnabrück gibt. Wir halten diesen Zusammenhang für evident, auch wenn sich die HWL von der "Machbarkeitsstudie" zwischenzeitlich distanziert.
Beziehungsweise weil sich sich davon distanziert. Die Machbarkeitsstudie gibt einem großen Universalhafen gute Chancen. Als Containerhafen hat er hingegen keine. Weil trotzdem die Containerhafenplanung bevorzugt wird, stellt sich die Frage: warum?
Warum geben die Stadtwerke Osnabrück eine große "Machbarkeitsstudie" in Auftrag, die sich mit der Verlagerung des Osnabrücker Hafens befasst, gründen daraufhin die "Eisenbahn- und Hafenbetriebsgesellschaft Region Osnabrück mbH" (EHB) und geben ihr die Aufgabe: "Entwicklung der Häfen in Stadt und Landkreis Osnabrück", nur um daraufhin mit dem Projekt, das sie angeschoben haben, nichts mehr zu tun zu haben?
Wie glaubhaft ist das denn?
Wir denken: gar nicht. Wir halten es für total unglaubwürdig, dass es bei dem geplanten Containerhafen in Bohmte NICHT um den Osnabrücker Hafen geht.
Unserer Meinung ist der Bau des Containerhafens nur vorgeschoben, um einen Fuß in die Tür zu langfristigen Zielen zu bekommen. Diese langfristigen Ziele mit ihrem "Umsiedlungsprogramm" wären von der Bevölkerung sicherlich nicht unbedingt stürmisch begrüßt worden. Und um das Projekt mit rücksichtslosen Zwangsumsiedlungen durchführen zu können, fehlt ihm die Gemeinnützigkeit.
Deshalb diese Umweg-Strategie über einen Containerhafen. Blöd nur, dass der nicht funktionieren kann.
Im Übrigen distanziert sich die HWL zumindest teilweise wieder von ihrer Distanzierung und behauptet nun:
"Die in der Machbarkeitsstudie aufgezeigten sehr langfristigen Entwicklungspotenziale lassen sich aus jetziger Sicht sehr wohl realisieren, auch wenn das Projekt aktuell im Rahmen der ersten Ausbaustufe [nur] mit einem Liegeplatz vorgesehen ist." (Quelle)
Wir halten fest:
Die Machbarkeitsstudie ist der feuchte Traum eines Hafenbetreibers, ein Affront für betroffene Bürger, eine "Umweg-Strategie" für die Verlagerung des Osnabrücker Hafens und eine
Falschdeklaration des Projekts als "Infrastrukturmaßnahme" gegenüber der Öffentlichkeit.