"Lügen bis nach Lüneburg"

Bericht über die Sitzung des Bohmter Gemeinderats am 15. März 2018

Es gab einige interessante Punkte.

Die größten Auswirkungen auf die Gemeinde wird der Beschluss über den Haushalt 2018 haben: Der Haushalt der Gemeinde Bohmte wird ca. 20 Mio. € betragen, ca. 2 Mio. € davon in Form von Krediten. Prognostiziert wird damit eine mittelbare Steigerung der Pro-Kopf-Verschuldung in Bohmte auf  1.600 €. Das ist weitaus höher als der Kreis- oder der Landesdurchschnitt. Daher forderten alle Redner Disziplin ein. Allerdings erst später, jetzt noch nicht. Jetzt wolle man lieber wichtige Projekte anschieben: Die Sanierung von Kindergärten, Schulen, Schwimmbädern, Straßen und die Dorfentwicklung. Das sei alles so wichtig, dass man das Sparen vertagte und jetzt lieber Geld ausgibt, das man nicht hat. Abzahlen müssen das dann die Nachfolger in der Gemeinde

„Das kann und darf nicht so weitergehen“, waren sich alle einig und machten so weiter (bis auf Die Linke und Hans-Joachim Berg, die den Haushalt ablehnten).

Weil die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln nun doch ein bisschen auffällig war, bekam die Ratsmehrheit Unterstützung durch den Bürgermeister, der behauptete, der Landkreis sei daran schuld, weil die Kreisumlage so hoch sei.

Die größten Auswirkungen auf den Ortsteil Stirpe-Oelingen werden allerdings die Punkte haben, die sich auf den Hafen beziehen:

Die Gruppe Die Linke / Berg hatte beantragt, die Gemeinde möge die Transferzahlungen an die HWL-GmbH einstellen. Der Antrag wurde damit begründet, dass nicht abzusehen sei, wie hoch diese Zahlungen seien und in der Vergangenheit auch immer höher ausgefallen seien als der geplante Ansatz, zuletzt habe es eine Steigerung um 57% gegeben. Die Zahlungen stellten daher ein Risiko dar und seien zumindest zu deckeln, um dieses Risiko eingrenzen zu können und die Kosten im Rahmen zu halten.

Gegen den Antrag sprachen sich Vertreter von CDU und SPD aus. Das Geld sei doch gut angelegt, weil es in „werthaltige Grundstücke“ geflossen sei. Auch sei das Geld nicht rausgeschmissen sondern wichtige Wirtschaftsförderungsmaßnahme. Andere Kommunen (es wurde das Beispiel Ostercappeln genannt) würden direkte finanzielle Zahlungen leisten, um Wirtschaftsbetriebe anzulocken, in Bohmte hingegen würde immerhin in Infrastruktur investiert. Was den Schüttguthafen angehe, so könne man zwar keine Namen nennen, die oder der Bewerber würde/ würden aber schon mit den Hufen scharren, um endlich anfangen zu können. Daher sei das Geld sinnvoll angelegt. Der Bürgermeister wandte zudem ein, dass sich die Gemeinde im Gesellschaftervertrag der HWL-GmbH verpflichtet hätte, Fehlsummen der HWL-GmbH gemäß der Beteiligung auszugleichen, und daher aus den Zahlungen gar nicht aussteigen könne.

Der Bürgermeister erwähnte auch, dass das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg bei ihm angefragt hätte, ob die Containerhafenplanung überhaupt noch aktuell sei. Natürlich sei das der Fall. Es sei ein städtebaulicher Vertrag zwischen der Gemeinde Bohmte und der HWL-GmbH geschlossen worden, sodass als nächster Schritt das Planfeststellungsverfahren begonnen werden könne. Die Ausschreibungen für die Planung dieses Verfahrens seien im vollen Gange. Das Gericht sei einer "Falschmeldung" von uns, den Klägern, aufgesessen, was er heftig kritisierte.

Der Antrag wurde abgelehnt.

Weiter standen die 21. Änderung des Flächennutzungsplanes und der Beschluss des Bebauungsplans Nr. 109 „Hafen- und Industriegebiet – Futtermittel- und Schüttguthafen“ zur Diskussion.

Bauamtsleiter Dunkhorst referierte kurz die eingegangen Einwände und die Abwägungsvorschläge der Gemeinde. Das Umweltforum Osnabrücker Land habe den Artenschutzbeitrag und die dazugehörigen Untersuchungen kritisiert. Die Kritik wurde mit dem Argument zurückgewiesen, dass der Artenschutzbeitrag in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde erfolgt und daher in Ordnung sei. Einwände, die sich auf Lärmbelastungen beziehen, wurden zurückgewiesen, weil in der Planung gewährleistet werde, dass sich der Lärm in den gesetzlichen Grenzen halte. Einwände, die das Landschaftsbild betreffen, wurden zurückgewiesen, weil die Gegend schon "vorbelastet" sei. Einwände, die die Verkehrsbelastung der Bundesstraßen betreffen, wurden zurückgewiesen, weil Bundesstraßen schlicht die Aufgaben hätten, Verkehr aufzunehmen. Der Verkehr außerhalb der Bundesstraßen, also innerhalb der Planungsfläche, sei optimal geregelt und Belastungen, die davon ausgingen, auf ein Minimum reduziert. Einwände, die Planung erfolge nicht im allgemeinen Interesse sondern würde wirtschaftlichen Partikularinteressen dienen und sei daher voreingenommen, wurden zurückgewiesen, weil die Planung nicht wirtschaftlichen, sondern städtebaulichen Grundsätzen folge. Einwände, dass es um die Verlagerung des Osnabrücker Hafens gehe, wurden zurückgewiesen, weil es nicht um die Verlagerung des Osnabrücker Hafens gehe.

In der Diskussion beschwerten sie Redner sowohl der CDU als auch der  SPD über Einwände von Bürgern. In einigen Einwänden sei „alle möglicher Blödsinn“ geschrieben worden, mit dem man sich beschäftigen haben müsse, auch seien „Lügen bis nach Lüneburg“ verbreitet worden. Es habe auch grundsätzliche Kritik am Verhalten des Rates gegeben, von der man sich ge- und betroffen fühlte, und weise ein Fehlverhalten empört zurück. Solche Kritik sei „eine Frechheit“. Grundsätzlich hielten die CDU- und SPD-Vertreter die Hafenplanung für eine gute Sache.

Die Gruppe Linke / Berg argumentierte, dass man ja noch gar keine Hafenplanung habe, die man gut oder schlecht finden könne. Es gebe schlichtweg überhaupt keinen Plan, keine Unterlagen über die Betreiber, über Umschlagszahlen und Umschlagsgüter, es gebe keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, keine sonstigen Daten, keine baulichen Pläne, gar nichts. Eigentlich gebe es nur die deutliche Absicht, dem zukünftigen Betreiber des Hafens so wenige Auflagen wie möglich zu machen. Wie sich das konkret auswirken und welche Folgen das haben wird, sei ungeklärt. Das Ganze sei ein nicht kalkulierbarer „Blindflug“.

Als Gegenargumentation wurde vorgebracht, dass es sich um eine „Angebotsplanung“ handele und man daher keine weitere Konkretisierung vornehmen könne.

Sowohl die Flächennutzungsplanänderung als auch der Bebauungsplan Nr. 109 wurden mit 3 Gegenstimmen (Gruppe Die Linke / Berg) angenommen. Die Fraktion Die Grünen waren nicht anwesend, „in Urlaub“, wie der Bürgermeister locker in die Diskussion einstreute.

Weil wir in der Ratssitzung beschuldigt worden sind „Lügen bis nach Lüneburg“ verbreitet zu haben, werden wir der Sache noch einmal nachgehen und freundlich um Korrektur bitten.

Ansonsten hier noch einige kritische Worte zu der Sitzung:

Es wurde vorgetragen, dass die Planung für den Hafen eine „Angebotsplanung“ sei, die nicht weiter konkretisiert werden könne.

Das ist nicht richtig. In der Sitzung selbst wurde erwähnt, dass die Gemeinde einen städtebaulichen Vertrag mit der HWL-GmbH geschlossen habe. Daher kann die Planung keine Angebotsplanung sein, sondern ist eine „vorhabenbezogene Planung“ im Sinne des Baurechts (deshalb wird die HWL-GmbH auch die Kosten des Verfahrens tragen [was wir übrigens schon zum B-Plan Nr. 99 eingefordert hatten]). Die HWL-GmbH verhandelt nach eigenen Worten mit einem oder mehreren möglichen Betreibern und kennt daher deren Ansprüche wahrscheinlich ziemlich genau, nicht zuletzt wurde deswegen ja der B-Plan Nr. 109 überhaupt aufgestellt. Der Plan Nr. 109 reagiert also auf die Ansprüche der potenziellen Betreiber. Allerdings einseitig, indem alles ermöglicht werden soll, was nicht verboten ist. Den betroffenen Bürgern wird ein Leben am Limit zugemutet. Bei einer "vorhabenbezogenen Planung" wäre es eigentlich ganz einfach, weitgehende Informationen über die potenziellen Beeinträchtigungen und die Betreiber an die Bevölkerung weiterzugeben, weil das "Vorhaben" für eine "vorhabenbezogene" Planung ja bekannt sein muss, sonst wäre es ja keine "vorhabenbezogene Planung". Diese Informationen werden der Bevölkerung aber verweigert, sodass sie sich dagegen also auch nur mit pauschalen Protesten wehren können.

Dass sich die Ratsmitglieder dann über pauschale Einwände beschweren, die „nicht hier hin gehören“, und dass sie so viel „Blödsinn“ lesen mussten, ist bei aller Bitternis über die hinter solchen Aussagen durchschimmernde Arbeitsauffassung von Ratsmitgliedern schon fast wieder lustig.

Und dass bei einer solch einseitigen Bauleitplanung die betroffene Bevölkerung schon mal den Eindruck bekommen kann, dass ihre gewählten Vertreter gewerbliche Interessen höher bewerten als die des Wahlvolks, ist auch nicht ganz abwegig. Zumindest in einem Fall scheint das in einem Einwand auch so formuliert worden zu sein, was den Rat auch prompt in Harnisch gebracht hatte. Wäre der Rat in dem Punkt offener gewesen, hätte sich der Forderung nach Transparenz angeschlossen und Informationen über den / die zukünftigen Betreiber bei der HWL-GmbH eingefordert und versucht, zusammen mit Betroffenen einen Ausgleich zu finden, wäre der ganze Krampf vermeidbar gewesen. Der Eindruck, dass hier ein Projekt abseits der Öffentlichkeit und auf Kosten der Betroffenen durchgezogen werden soll, hätte relativ einfach entschärft werden können. So bleibt er bestehen. Da hilft auch beleidigtes Gejammer nicht.

Wer der Auffassung ist, das Geld für die HWL-GmbH sei gut angelegt, weil es in „werthaltige“ Grundstücke investiert worden sei, dem hilft vielleicht, sich die ganze Situation noch einmal zu vergegenwärtigen:

Die HWL-GmbH kauft einen Futtermittel- und Schüttguthafen, beendet dessen Geschäft und lässt es mehrere Jahre brachliegen, um dann auf dem Gelände einen Futtermittel- und Schüttguthafen zu bauen. Dazu bezahlt sie 243,87 € pro m² Hafenfläche und damit das 20-fache des üblichen Gewerbeflächenpreises von 10-20 € pro m². Außerdem kauft sie weitere landwirtschaftliche Flächen als potenzielle Tauschflächen zu Preisen, die kein Landwirt jemals erwirtschaften kann.

Was ist daran „werthaltig“? Wäre der Hafen nicht gekauft worden, würde er nicht seit Jahren brachliegen, die HWL-GmbH wäre mindestens 5,1 Mio. € und die Kommune um einige Steuern reicher. Um den Hafen zu erweitern, wäre so ein Aufwand wahrlich nicht nötig gewesen. Das Ganze ist eher das genaue Gegenteil von „werthaltig“, da wird richtig Geld verbrannt.

Und warum? Als Wirtschaftsförderungsmaßnahme? Bedeutet Wirtschaftsförderung, dass erhebliche öffentliche Mittel eingesetzt werden, um den einen Hafenbetreiber durch den anderen zu ersetzen? Man kann sicherlich unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob Kommunen überhaupt öffentliche Mittel aufwenden sollten, um sich gegenseitig zu kanibalisieren und Gewerbebetriebe anzulocken. Aber Geld einzusetzen, um Gewerbebetriebe zu vertreiben, bzw. aufzukaufen und das Geschäft brachzulegen, kann nun wirklich nicht Teil einer sinnvollen Gewerbeförderung sein.

Als Fazit bleibt: Es gibt eine satte Mehrheit von CDU und SPD im Rat, die die Sache trotz Bedenken und Einwände durchzieht und sich darüber wundert, dass es Bedenken und Einwände gibt. Die Opposition macht das, was eine Opposition in diesem Fall machen kann, sie legt den Finger in die Wunde. Sie könnte die ganze Hand bis zum Ellenbogen reinlegen, der Ratsmehrheit wäre das vollkommen egal.

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