Bericht über die Bohmter Ratssitzung am 8.10.2020

Der Bohmter Rat hatte am 4. Juni d.J. den Beschluss gefasst, sich aus der Containerhafenplanung zu verabschieden. Die dafür vorgesehene Fläche sollte stattdessen einfache Gewerbefläche werden. Die Bürgermeisterin hatte den Beschluss aber nicht anerkannt und ihn der Kommunalaufsicht zur Beurteilung übergeben. Die Kommunalaufsicht ist beim Landkreis angesiedelt, der zu 50% an der Hafengesellschaft (HWL-GmbH) beteiligt ist.

Die Bürgermeisterin informierte den Rat darüber, dass die Kommunalaufsicht zu dem Schluss gekommen sei, dass der Juni-Beschluss „formell und materiell rechtswidrig“, und dass die HWL-GmbH durch den Beschluss verunsichert worden sei. Daher wünsche sie sich Entscheidungen über ihre Zukunft von allen beteiligten Kommunen und dem Landkreis. Diese müssten zur Einhaltung der Förderfrist bis zum 15. Oktober 2020 erfolgen. Der Ostercappelner Rat hat dies bereits erledigt.

Die Bohmter SPD hat daraufhin einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der in einer nichtöffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses bereits eine Mehrheit gefunden hat, und der mit der grünen Landrätin abgesprochen worden sei. Der Beschlussvorschlag liegt leider nicht öffentlich vor, im Rat wurde er zwar diskutiert, aber nicht vorgelesen, im Ratsinformationssystem auf der Internetseite der Gemeinde Bohmte ist er leider auch nicht abrufbar.

Thomas Rehme (SPD) trug vor, dass er zwar Potenzial für einen Massenguthafen sehe, aber nicht, oder nur eingeschränkt für einen Containerhafen. Daher würde sein Beschlussvorschlag den beschleunigten Ausbau des Massenguthafens fordern, die Containerhafenplanung aber erst einmal zurückstellen, bis sich ein Bedarf dafür aufzeige. Bislang gebe es für große Teile des Massenguthafens keine Bewerber, daher müsse man dringend danach suchen. Für den Containerhafen gebe es überhaupt keine Interessenten. Die HWL-GmbH solle prüfen, ob ein Containerumschlag innerhalb des Massenguthafens möglich ist.

Die Linke hatte einen Änderungsantrag eingebracht, der leider auch nicht vorgetragen wurde und ebenso wenig auf der Bohmter Internetseite öffentlich einsehbar ist.

Lars Büttner (Linke) trug aber vor, dass er die Fokussierung auf den Massenguthafen zwar begrüße, den Abschied vom Containerhafen aber vermisse. Der vorgetragene Kompromiss, die Containerhafenplanung lediglich zu vertagen und eine Prüfung von Containertransporten innerhalb des Massenguthafens von der HWL-GmbH zu fordern, sei ein durchsichtiges Hinhaltemanöver. Denn es werde kein unabhängiges Gutachten gefordert, sondern wieder einmal die HWL-GmbH mit der Prüfung ihrer eigenen Planung beauftragt. Er befürchte, dass wieder ein Gefälligkeitsgutachten erstellt werden würde, und dass die HWL-GmbH sich ihren eigenen Weg eben wolle. Das Ganze sei „eine Trickserei, um das zu kriegen, was man vorher schon wollte“.

Das Hafenthema habe Streit und Missgunst in die Gemeinde getragen, es herrsche großer Unmut, weil das Projekt durch alle Gremien gepeitscht worden sei und sich durch große Intransparenz auszeichne. Die HWL-GmbH genieße in der Bevölkerung keinerlei Vertrauen mehr. Daher sei der Juni-Beschluss richtig gewesen, die SPD solle zu dem damaligen Beschluss stehen und ihn jetzt nicht wieder verwässern. Er fordere einen grundsätzlichen Verzicht auf einen eigenständigen Containerhafen.

Dr. Joachim Solf (Grüne) schloss sich dem an, ein Hafen reiche, man brauche keine zwei Häfen. Zumal der damalige Hafenbetreiber Zerhusen zur Beurteilung des Volumens von Containertransporten bei Speditionen nachgefragt und ein Ergebnis von ca. 5.000 TEU pro Jahr ermittelt hatte. (Die HWL-GmbH hatte 50.000 – 72.000 TEU pro Jahr angegeben.) Zerhusen wollte das auf seinen 2 Hektar zusätzlich zu seinem Agrargeschäft machen, die HWL-GmbH hat heute 6 Hektar zur Verfügung und das reicht ihr immer noch nicht?

Die Containerhafen-Planung lasse jegliches vernünftiges Verhältnis zur Realität vermissen, ähnlich wie die Ansiedlung eines großen Industriebetriebes in Venne, dessen Fertigungshalle größer als der Ort sei. Und wenn sich die Kommunalaufsicht schon mit der Hafenplanung befasse, müsse sie doch bitteschön auch berücksichtigen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommune damit überschritten wäre.

Marcus Unger (CDU) verteidigte die ursprüngliche Containerhafenplanung, begrüßte aber die vorübergehende Fokussierung auf den Massenguthafen, möchte aber den Containerhafen nicht aus den Augen verlieren. Er plädierte für mehr Sachlichkeit in der Debatte, Emotionen seien unangebracht. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommune sei bei diesem Thema kein Problem, da es ja auch andere Beteiligte gebe, die Transparenz des bisherigen Verfahrens sei immer ausgezeichnet gewesen, und außerdem sei die SPD-Beschlussvorlage von der grünen Landrätin akzeptiert worden, sodass die Grünen vor Ort doch eigentlich zustimmen müssten. Er wolle ein Verfahren, „ganz im Sinne der Fachlichkeit“.

Arnd Sehlmeyer (CDU) arbeitete sich wieder einmal an dem Beschluss ab, einen Bahnanschluss für den geplanten Hafen zu fordern. (Herr Sehlmeyer ist Landwirt, seine Flächen und sein Wohnhaus würden von einer Bahnlinie zum Hafen sehr wahrscheinlich betroffen sein.)

Mathias Westermeyer (CDU) beschwerte sich über die Verzögerung, die durch den Juni-Beschluss entstanden sei, und befürchtete, dass Fristen deshalb nicht eingehalten würden und Fördermittel verloren gingen. Das würde ein Desaster für Bohmte.

In der anschließenden Debatte wehrte sich die SPD gegen den Vorwurf, umgefallen zu sein; die Grünen bekräftigten nochmals ihren Standpunkt, dass es für alle Seiten besser gewesen wäre, wenn man Zerhusen das Geschäft überlassen hätte und dass ein Extra-Containerhafen keinen Sinn mache; Linke und SPD protestierten gegen den Vorwurf, Fördermittel riskiert zu haben, Ursache für die Verzögerungen seien vielmehr die Unfähigkeit der Ratsmehrheit und schlicht und einfach die Funkantennen auf dem Silogebäude am Hafen, weshalb die Abbrucharbeiten noch nicht begonnen werden konnten. (Hätten sie doch, alles außer das Silogebäude hätte abgebrochen werden können.)

Der SPD-Vorschlag (vorerst nur Massenguthafen, HWL-GmbH soll prüfen, ob ein gesonderter Containerhafen nötig ist) wurde mit 4 Gegenstimmen angenommen. Der Änderungsantrag der Linke mit 4 Ja-Stimmen abgelehnt.

Fazit

Der Landkreis Osnabrück hat dem aufmüpfigen Gemeinderat in Bohmte kurz einmal seine Muskeln gezeigt, um ihn daraufhin mit freundlichem Lächeln eine kurze Verschnaufpause anzubieten. Aber grundsätzlich soll an der Planung nichts geändert werden. Die SPD hat das verstanden und vorsichtig eingelenkt, Linke und Grüne reagierten arg verschnupft.

Wäre mit dem SPD-Antrag ein wirklicher Veränderungswunsch verknüpft, hätte die HWL-GmbH nicht mit der Prüfung der Zukunft des eigenen Hafenprojekts beauftragt werden dürfen. Eigentlich sowieso eine Selbstverständlichkeit. Aber die beteiligten Kommunen und der Kreis sind so von ihrem Projekt eingenommen, dass solche Selbstverständlichkeiten noch nie galten.

Daher ist auch die ostentative Präsentation der „Fachlichkeit“ vonseiten der CDU so grausam fehl am Platze. Die HWL-GmbH hat nicht ein einziges fachlich korrektes Gutachten vorgelegt! Die Bohmter Hafengeschichte ist eine Aneinanderreihung von Unfachlichkeiten. Es ist geradezu ein Prinzip der bisherigen Planung, keine externen Prüfungen oder Analysen zuzulassen. Das HWL-System ist ein geschlossener Kreislauf, der auf politischer Macht beruht, nicht auf Fachlichkeit!

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Es steht zu erwarten, dass es am 15. Oktober ähnliche Entscheidungen beim Kreistag und in Bad Essen geben wird. Also: Vorrangiger Vollzug beim Massenguthafen und Beauftragung der HWL-GmbH, ihr eigenes Containerpotential zu prüfen. Es steht auch zu erwarten, dass sich alle Beteiligten über den erreichten Kompromiss freuen werden.

Leider übersehen sie dabei, dass weder HWL-GmbH noch andere jemals den Bedarf eines Massenguthafens an dem Standort geprüft haben. Über einen Containerhafen gibt es immerhin eine Unternehmensbefragung mit heftigen Auseinandersetzungen, über einen Massenguthafen gibt es – Nichts.


Nachtrag 21.11.2020

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Mitteilung der Bürgermeisterin zur Erklärung der Ungültigkeit der Ratsbeschlüsse vom 4. Juni und 8. Juli 2020
Schreiben vom 30.10.2020
Überprüfung der Ratsbeschlüsse vom 04.06
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Stellungnahme der Anwaltskanzlei Brandi über die Bohmter Ratsbeschlüsse vom 4. Juni und 9. Juli 2020
juristische Stellungnahme
Endfassung_Stellungnahme_an_Landkreis_Os
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Wir haben uns die Stellungnahme der Anwaltskanzlei Brandi angesehen und schon auf den ersten Blick erhebliche Mängel darin gefunden. Wir werden diese Kritik allen Rats- und Kreistagsmitgliedern zukommen lassen und appellieren, die Entscheidung der Kommunalaufsicht anzufechten.

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Erste Überprüfung der juristischen Stellungnahme der Anwaltskanzlei Brandi zu den Bohmter Ratsbeschlüssen
Unsere Kritik an der Entscheidung der Kommunalaufsicht
kommunalaufsichtlicheUeberpruefungJoergN
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Kommentare: 4
  • #1

    Christian Rohling (Donnerstag, 15 Oktober 2020 08:26)

    Hallo aktiviert durch den Zeitungsartikel von heute habe ich selber recherchiert und habe dort den auf Ruf in dem Schifffahrt Forum gefunden: https://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?92523-Containerhafen-in-Bohmte/page2&s=0e3777a6af2884651de249c277b95a62.
    Nach Studium der dortigen Diskussion ist das Thema Brückenhöhe doch deutlich vielschichtiger und wird auf Ihrer Webseite aus meiner Sicht sehr einseitig dargestellt.

  • #2

    Martin Becker (Donnerstag, 15 Oktober 2020 10:19)

    Hallo Christian Rohling,
    das Binnenschifferforum ist in dieser Frage nicht unbedingt eine neutrale Einrichtung.
    Aber wenn ich das richtig verstehe wird dort die Meinung kontrovers diskutiert, dass man die Strecke zwischen Bohmte und Amsterdam vielleicht doch zweilagig befahren könne, wenn mann eine zusätzliche Ballastierung installieren würde.
    Nur - Das macht keiner.
    Auf der Strecke wurden 2014: 44, 2015: 7, 2016: 85 beladene Container gezählt (Verkehrsberichte der WSV).
    Die Frage ist auch, wie sinnvoll das dann wäre?
    Folgerichtig hört der Threat im Forum dann auch ganz einfach auf, ohne eine Lösung anzubieten.
    Ich denke daher, dass die Behauptung, ein wirtschaftlicher Containertransport ist auf der Strecke nicht möglich, durch diese Diskussion nicht wirklich angegriffen wird.

  • #3

    Christian Rohling (Donnerstag, 15 Oktober 2020 17:11)

    Hallo Martin Becker, natürlich ist die Summe der Meinungen in einem Forum nicht neutral. Ihre Bürger Initiative ist es ja auch nicht, und das aus gutem Grund da sie sich intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Ich persönlich weiß relativ wenig darüber und habe deshalb mir auch noch keine Meinung gebildet. Ich stelle aber fest dass es für mich so aussieht dass sie ihre Meinung auf dieser Seite mit entsprechenden Hypothesen unterfüttern und Argumente die dafür sprechen ausblenden. Selbst wenn die Summe der Argumente dann auf ihrer Seite liegt was ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen kann wirkt es auf mich am Ende dann unglaubwürdig. Verstehen Sie dies bitte nur als Feedback. Werde die Thematik ab heute interessiert weiter verfolgen da ich gebürtig aus Ostercappeln, viel Erfolg

  • #4

    Martin Becker (Donnerstag, 15 Oktober 2020 19:07)

    Hallo Christian Rohling,
    wenn wir auf diesen Seiten etwas einseitig darstellen, dann, weil wir zu dem Schluss gekommen sind, dass es einseitig ist.
    Wir haben uns die vorgebrachten Argumente sehr genau angesehen. Beispielsweise die "Stellungnahme" von Prof. Bode (https://www.containerhafen-bohmte.de/containerhafenplanung/expertenmeinungen/prof-bode/). Seine Argumente konnten sämtlich (!) widerlegt werden. Es blieb nicht ein einziges glaubwürdiges Argument übrig.
    Wir haben ihm selbst unsere Analyse zur Verfügung gestellt, ebenso seinem Fachbereich, der Hochschulleitung, der HWL-GmbH und allen beteiligten Kommunen bzw. dem Kreis.
    Keiner hat unsere Analyse widerlegt. Alle tun so, als ob wir gar nicht da wären.
    Was sagt uns das?
    Es scheint gar nicht um Sachfragen zu gehen. Denn wenn es um Sachargumente gehen würde, müsse es eine Diskussion geben. Dieser Diskussion verweigern sich die Hafenbefürworter. DAS macht uns wirklich Sorge.