problematische Gerichtsentscheidung

Bericht über die Verhandlung des Normenkontrollantrags gegen den Bebauungsplan Nr. 109 der Gemeinde Bohmte

Im Oktober 2018 trat der B-Plan Nr. 109 „Hafen- und Industriegebiet – Futtermittel- und Schüttguthafen“ in Kraft (Abb. unten pink umrandet). Er umfasst den nordwestlichen Bereich des B-Plans Nr. 99, der im Juli 2019 vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg aus formalen Gründen, aber auch aus Lärmschutzgründen für ungültig erklärt worden war.

Geltungsbereich B-Plan Nr. 109 (pink), quelle Google-Maps, eigene Bearbeitung
Geltungsbereich B-Plan Nr. 109 (pink), quelle Google-Maps, eigene Bearbeitung

Auch der B-Plan Nr. 109 wurde vor Gericht angefochten. Allerdings nicht erfolgreich. Der 1. Senat unter dem vorsitzenden Richter Dr. Lenz entschied am Mittwochabend, dass der B-Plan korrekt sei und weiterhin Bestand habe.

Vorausgegangen war eine erbitterte Auseinandersetzung darüber, ob der Klageführer überhaupt „antragsberechtigt“ sei. Die Gemeinde Bohmte argumentierte dagegen, weil der Klageführer nur Teil einer Erbengemeinschaft sei und bestritt die Wohnnutzung des Wohnhauses, das Wohnen dort sei illegal. Dagegen standen die Einwilligung der gesamten Erbengemeinschaft und eine Wohnnutzung „seit ohnvordenklicher Zeit“, also vor Inkrafttreten des Baugesetzbuches 1953. Die „Antragsbefugnis“, also die Berechtigung, diesen Normenkontrollantrag zu stellen, wurde daher bestätigt.

Im zweiten Schritt ging es um die Frage, ob die Licht-, Lärm- und Staubemissionen, die in dem B-Plan erlaubt werden, die zulässigen Grenzen an dem Wohnort des Klägers überschreiten. Dies war beim B-Plan Nr. 99 der Fall gewesen. Weil dieser Wohnort sogar näher dran am Geschehen liegt, machten wir uns große Hoffnungen.

Allerdings hat die Gemeinde sich sehr angestrengt, die Fehler des B-Plans Nr. 99 zu vermeiden. Damals waren einige Flächen als „uneingeschränkte Industriegebiete“ deklariert worden, woraus sich das Recht ableitet, auf diesen Flächen eine bestimmte Menge Lärm verursachen zu dürfen (tags- und nachtsüber 70 dB/A). Diese Menge darf im B-Plan nicht unterschritten werden, denn dann ist es kein Industriegebiet mehr. Das im Plan eingetragene Lärmkontingent muss der Kategorisierung der Fläche entsprechen, was dort aber nicht gemacht worden war. Die Lärmkontingentierung war auf 63 tags und 48 dB/A nachts herabgesetzt worden, womit die Lärmgrenzen an den benachbarten Wohngebäuden punktgenau eingehalten werden konnten.

Beim B-Plan Nr. 109 ist dieser Fehler nicht gemacht worden. Die fraglichen Flächen wurden als „Sondergebiete“ deklariert, was eine individuelle und damit punktgenaue Lärmkontingentierung erlaubt (70/55 dB/A und 68/53 dB/A), sowie als „eingeschränktes Gewerbegebiet“ mit 65/50 dB/A).

Die Frage, ob es realistisch ist, einen Hafen weniger Lärm zuzugestehen als einem „normalen“ Industriebetrieb, wurde von dem Senat abgewiesen. Wenn der B-Plan diese Werte vorschreibt, müsse der Betreiber halt sehen, dass er sie einhält, beispielsweise mit Lärmschutzmaßnahmen. Der Schwarze Peter liegt also bei den betroffenen Anwohnern, die dann nachweisen müssen, dass die Werte überschritten werden. Der Senat wies zwar darauf hin, dass der Landkreis für die Einhaltung der Grenzwerte zuständig sei, weil der Landkreis aber an der HWL-GmbH zu 50% beteiligt ist, gibt es da einen Interessenskonflikt. Wenn man sieht, mit welch harten Bandagen schon die Auseinandersetzung um die Antragsbefugnis geführt wurde, lässt das für die Motivation der Kreis-Gewerbeaufsicht nichts Gutes ahnen.

Bei Licht- und Staubemissionen stellte sich der Senat auf den Standpunkt, dass die nicht im Bebauungsplan geregelt werden müssen, sondern im späteren Baugenehmigungsverfahren (das beim Kreis angesiedelt ist).

Es stellte sich noch die Frage der Planungserfordernis bzw. der Berechtigung der Gemeinde, diesen Plan aufzustellen. Es wurde festgestellt, dass die HWL-GmbH als kommunaler Wirtschaftsbetrieb zwar den privaten Hafenbetreiber Zerhusen aus dem Geschäft gedrängt und damit gegen das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz verstoßen habe, das ändere aber nichts an dem Recht der Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzustellen.

Insgesamt stellte sich der Senat auf den Standpunkt, dass er lediglich den Plan zu beurteilen habe, nicht die die Frage, ob er sinnvoll oder realistisch ist.

Das ist bitter. Bitter ist vor allem, dass der Verstoß gegen das Kommunalverfassungsgesetz zwar anerkannt wurde, aber ohne Konsequenzen blieb. Die Gemeinde Bohmte, die an der HWL-GmbH zu 37,5% beteiligt ist, darf die Planung für die HWL-GmbH durchführen, auch wenn diese gegen Gesetze verstößt. Das ist ein bisschen schizophren: Einerseits existiert die HWL-GmbH, um kommunale Interessen durchzusetzen, andererseits sollen Gesetzesverstöße der HWL-GmbH keine Auswirkungen auf die Gemeinde haben?

 

Wir sind irritiert.

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Kommentare: 2
  • #1

    Bernd Schleier (Samstag, 11 September 2021 14:17)

    Bisher dachte ich immer, es ginge bei der Auseinandersetzung um das Gemeinwohl, was ausdrücklich zu begrüßen wäre. Dem Artikel entnehme ich jedoch leider, dass ausschließlich um ein Partikularinteresse geht. Öffentliches Interesse vorgeschoben, um Eigeninteresse durchzusetzen.

  • #2

    anonym (Freitag, 01 Oktober 2021 11:02)

    Die Gemeinde gründet also zusammen mit den Landkreis einen kommunalen Wirtschaftsbetrieb, damit sie nicht mehr den Beschränkungen unterliegt, die das Kommunalverfassungsgesetz den Kommunen auferlegt.
    Es wurde sozusagen eine Tochtergesellschaft gegründet, die schärfer agieren und sogar Unrecht begehen kann, das dann aber keines mehr ist, weil sie ja eine Tochter ist und nicht die "Muttergesellschaft".
    Das ist pervers!