Am 26. Mai haben wir neben dem Europäischen Parlament auch den Landrat des Osnabrücker Landkreises, sowie in der Gemeinde Bohmte mit Tanja Strotmann eine neue Bürgermeisterin gewählt. Wir hoffen, dass Frau Strotmann der Kritik am Bohmter Hafenprojekt offener gegenüber steht als ihr Vorgänger. Versprochen hatte sie es jedenfalls.
Die Wahl des Landrats oder der Landrätin ist hingegen noch nicht entschieden. Zwischen Amtsinhaber Dr. Michael Lübbersmann von der CDU (43,39%) und Herausforderin Anna Kebschull von den Grünen (30,16%) wird es am 16. Juni eine Stichwahl geben.
Das Amt des Landrats oder der Landrätin ist ziemlich bedeutend. Er oder sie ist oberster Vorgesetzter / Vorgesetzte der Landkreisverwaltung und die verfügt insbesondere seit der Abschaffung der Bezirksbehörden über eine große Machtfülle. Diese Machtfülle hat der bisherige Landrat Lübbersmann vorwiegend zugunsten von Agrarindustrie und Wirtschaftsunternehmen eingesetzt. In Lübbersmanns Amtszeit ist z.B. die Rolle der BEVOS, der Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft des Landkreises Osnabrück, enorm gestiegen. Über diese Gesellschaft agiert der Landkreis direkt wirtschaftlich, ist also Unternehmer. Gleichzeitig ist er aber auch Kontroll- und Bewilligungsbehörde.
Der Landkreis verfolgt also wirtschaftliche Interessen, die er gleichzeitig genehmigt, kontrolliert und ggf. auch fördert, was nicht ohne Konflikte geschehen kann. Denn wirtschaftliche Interessen decken sich nicht unbedingt mit denen der Bürger. Bisher sind diese Interessenskonflikte eher zugunsten der Wirtschaft und zulasten der Bürger entschieden worden.
Ein Landkreis ist aber den Bürgern verpflichtet, nicht der Wirtschaft.
So z.B. beim geplanten Containerhafen in Bohmte. Dort hält die BEVOS 50% der Anteile an der Hafen-Wittlager-Land-GmbH (HWL-GmbH), die den Hafen plant. Gleichzeitig ist der Kreis Genehmigungsbehörde für den Hafen-Bebauungsplan, den die Gemeinde Bohmte aufgestellt hat, er erstellt die regionale Raumordnung, die passgenau auf die Wünsche der HWL-GmbH reagiert, und er ebnet den Weg zu weiteren Behörden und Subventionsgebern.
Dabei macht das alles keinen Sinn! 20 Mio. € nimmt der Kreis in die Hand, um in Bohmte einen Containerhafen zu bauen, obwohl dort kein wirtschaftlicher Containerverkehr möglich ist, weil die Brücken dafür zu niedrig sind. Der Landkreis rechtfertigte sich anfangs gar nicht, später mit einer nichtöffentlichen privaten Unternehmensbefragung, ignoriert hingegen die öffentliche wissenschaftliche Untersuchung der Universität Münster, die zu dem Schluss kommt, dass ein Containerhafen in Bohmte keinen Sinn macht.
Ist das wirklich schlau? Der Landkreis gibt über die HWL-GmbH eine Menge Geld aus, entgegen wissenschaftlichen Rat, trotz sachlich relativ einfach nachprüfbarer Kritik (Brückenhöhen) und obwohl das Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und gegen dessen abgeschlossenen Teile eine Normenkontrollklage läuft.
Auf der Podiumsdiskussion am 13. Mai in Bad Essen hatte Landrat Lübbersmann, der gleichzeitig Vorsitzender des HWL-Aufsichtsrats ist, darauf keine Antwort. Im Gegenteil, er verstrickte sich in Lügen und Unwahrheiten. Ebenfalls relativ einfach nachzuprüfen.
Die Forderungen von Frau Kebschull, einen neuen Politikstil im Kreis etablieren zu wollen und Politik und Wirtschaft zu entflechten, erscheinen uns in dem Zusammenhang bitter nötig.
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Rolf (Montag, 03 Juni 2019 16:46)
großer Erwartung habe ich die Potenzialanalyse aus Münster gelesen. Die Ernüchterung kam dann aber ziemlich schnell.
Folgendes lässt mich an der Studie zweifeln:
Der Mittellandkanal wird mit dem Rhein verglichen. Dieser Vergleich ist schlecht, da man bei der Betrachtung einer Landstraße sich auch nicht mit einer Autobahn misst. Die Landstraße, die weniger geeignet ist für den Verkehr als eine BAB, kann dennoch sinnvoll sein.Auf Seite 4 steht: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Containerverkehre auf dem Kanalgebiet mit vergleichsweise hohen Transportkosten verbunden sind. So ist in diesem Gebiet mit einer eher geringen Nachfrage nach wasserseitigem Containerumschlag zu rechnen.“ Auf Seite 22 steht dann: „Dennoch beweist das Beispiel Minden, dass Containerverkehre zu den Nordhäfen auch mit Europaschiffen wirtschaftlich sein können.“Warum erweitert Minden (Seite 29), wenn die Wasserstraße/der MLK unwirtschaftlich ist und die Nachfrage gering ist.
…warum sollte der Bohmter Hafen dann nicht wirtschaftlich sein?
Auf Seite 25f sind Konkurrenzstandorte genannt, die keinen Containerumschlag durchführen. Von daher können es keine Konkurrenzstandorte sein…
Hinzu kommt, dass im Umkreis von 60 km um Braunschweig noch die Containerterminals Wolfsburg/Fallersleben, Hannover und Haldensleben liegen, die alle (scheinbar) wirtschaftlich betrieben werden.
Am Beispiel des JadeWeserPorts sieht man, dass Hafeninfrastruktur langfristig zu sehen ist.Die Analyse bezieht nur Daten aus der Vergangenheit ein. Diese Daten sind alt (zum Teil 20 Jahre) und können nur sehr eingeschränkt für Potenziale der Zukunft genutzt werden z.B. BMVI (2014) Verkehrsverechtungsprognose 2030, HaCon Ingenieurgesellschaft und KombiConsult (2012), Kohlmann, Albert (1999). Perspektiven des Containertransports per Binnenschiff im Seehafenhinterlandverkehr.Wenn die HWL-GmbH tatsächlich Unternehmen (wie Leiber) befragt hat und diese Potenziale genannt haben, ist das für mich plausibler, als statistische Daten irgendwelcher Erhebungen. Wenn kein Angebot an Hafen da ist, warum sollte dann da auch ein Schiff fahren?In die Analyse wurde nicht berücksichtigt, dass LKW Fahrer/-innen immer mehr zur Mangelware werden, so dass es zwangsläufig auf Bahn oder Schiff hinaus laufen muss…
Hinzu kommt auch noch folgendes:
Überall wird von Klimaschutz und Reduzierung des CO2 geredet # Fridaysforfuture. Ein Hafen trägt hierzu einen Teil bei, wird aber von Ihnen verteufelt. Wie lautet denn Ihre Antwort auf steigenden Güterumschlag und immer mehr LKW (verstopfte Straßen) und Umweltbelastungen auf unseren Straßen?
Sie Schreiben: „Der Landkreis verfolgt also wirtschaftliche Interessen, … Denn wirtschaftliche Interessen decken sich nicht unbedingt mit denen der Bürger.“ …warum bekommt Herr Dr. Lübbersmann dann 43,39% bzw. in Bohmte 47,91% bzw. 40,50% in Stirpe-Oelingen der Stimmen?
Was hätte dir Stadt Os für ein Interesse ihr Hafen Gewerbe nach bohmze zu verlegen und damit auf Steuereinnahmen zu verzichten?
Rolf2 (Montag, 03 Juni 2019 16:58)
Hinzu kommt: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Heißt die HWL gibt ein Gutachten in Auftrag und bekommt ein hohes Potenzial und bei Ihnen ist es genau anders herum. Jeder bekommt das, was er hören will. Am Ende liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.
Martin Becker (Montag, 03 Juni 2019 22:05)
@ Rolf,
wir freuen uns über Dein Interesse und werden Deine Argumente in der BI besprechen und eine Stellungnahme veröffentlichen, ich bitte um etwas Geduld.
Was die Gutachtenbeauftragung angeht, die HWL hat gar kein Gutachten in Auftrag gegeben, sondern eine Unternehmensbefragung durchgeführt. Wenn Unternehmen einen Hafen in ihrer Umgebung haben wollen, konnten sie bedenkenlos "Ja" ankreuzen. Ob sich das dann lohnt, müssen sie nicht beachten. Sie müssen den Hafen auch nicht benutzen.
Das als Grundlage einer 20-Mio-€-Investition zu nehmen, ist dann doch etwas sehr wenig.