Lobbyismus-Aktion

Beschlussvorlagen des Landkreises beruhen auf falschen Angaben

Am 15. Oktober 2020 hatte der Kreistag Osnabrück die Fortsetzung der Bohmter Hafenpläne beschlossen. Zur Entscheidung wurde eine Beschlussvorlage der Kreisverwaltung vorgelegt (VO 2020/823-3), die insgesamt dreimal umgearbeitet worden war (alle drei Vorlagen finden sich hier).

Nun stellt sich heraus, dass Teile dieser Vorlagen inhaltlich und wörtlich aus einer "Stellungnahme" stammen, die der ehemalige Abteilungsleiter für Häfen und Schifffahrt im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Wolfgang Weber, verfasst hat.

Inhalts- oder wortgleiche Textübernahmen der Beschlussvorlagen des Landkreis Osnabrück aus einem Text von Wolfgang Weber
Inhalts- oder wortgleiche Textübernahmen der Beschlussvorlagen des Landkreis Osnabrück aus einem Text von Wolfgang Weber

Das Ärgerliche daran:

Webers "Stellungnahme" ist eine Lobby-Aktion für das Bohmter Hafenprojekt, deren Argumentation sich bei genauer Betrachtung als unlogisch, übertrieben, oftmals schlichtweg falsch und irreführend herausstellt.

Wir stehen zu diesem harten Urteil, weil wir Webers "Stellungnahme" wirklich sehr genau analysiert haben:

Die Projektbefürworter folgen nicht das erste Mal dem Ruf eines Lobbyisten. Bereits 2019 hatte es ebenfalls eine "Stellungnahme" des Hochschulprofessors Wolfgang Bode gegeben, die sich bei genauer Betrachtung als Irreführung herausstellte. Wir hatten damals unsere Analyse allen Beteiligten, auch dem Autor und der Hochschule zur Verfügung gestellt, sie wurde nicht widerlegt!

Doch anstatt sich mit unserer Kritik auseinanderzusetzen, fügt der Landkreis Osnabrück der ersten "Stellungnahme" einfach eine zweite "Stellungnahme" nach dem gleichen Muster hinzu.

Glaubwürdiger wird das Hafenprojekt dadurch aber nicht unbedingt.

Im Gegenteil: Es scheint ein sehr großer Mangel an Argumenten für das Bohmter Hafenprojekt zu herrschen. Jedenfalls keine Argumente, die der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Da die Projektbefürworter aber weiterhin an der Planung festhalten, müssen wir annehmen, dass es Geheimabsprachen, Hinterzimmerverhandlungen oder sonstige fiese Sachen gab oder gibt, die Argumente für das Projekt liefern, die die Öffentlichkeit nicht wissen soll.

Weil, sonst macht die ganze Sache überhaupt keinen Sinn!


Korrektur 11.3.2021

Nach dem Hinweis in den eingegangenen Kommentaren haben wir unsere Analyse prüfen lassen und einen Fehler entdeckt: Der Braunschweiger Hafen ist nicht mit 60 Mio. €, sondern mit 11,4 Mio. € seit 2006 subventioniert worden.

Wir bedanken uns bei dem Kommentator und bieten hier unsere korrigierte Version an:

Die Korrektur ändert aber nur wenig an unserem Urteil, dass wir die Stellungnahme Webers für eine dreiste und vor allem irreführende Lobby-Aktion halten. Wir haben alle beteiligten Politiker noch einmal darauf hingewiesen.

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Kommentare: 4
  • #1

    Fragen (Dienstag, 02 Februar 2021 08:21)

    Sehe ich das richtig?

    - Im Beteiligungsbericht 2017 steht auf Seite 58, dass der Containerumschlag um 4,9 bzw. 7,5 % angestiegen ist. ~ 5/6 davon per Schiff. Per Bahn kommt in BS kaum ein Container an.
    - Die Gewinn- und Verlustrechnung S. 61 ein positives Ergebnis von 523 T€ auf, somit hat das operative Geschäft einen Gewinn erwirtschaftet. Die G&V fließt in das Eigenkapital der Bilanz ein und erhöht dieses. Eine Eigenkapitalquote ab 30 % ist als „gut“ einzuschätzen.
    - Sonderposten für Investitionszuschüsse ist ein Posten der Bilanz im Passiven (Mittelherkunft). Dieser Sonderposten wird in Braunschweig jährlich erhöht (in 2017 5.075 T€ auf 5.168 T€, also um 93 T€). Es heißt also, dass INSGESAMT 5.168 T€ (40,8 %) des Kapitals in der Bilanz aus Sonderposten für Investitionsschüsse stammt?

  • #2

    Martin Becker (Dienstag, 02 Februar 2021 10:06)

    Gute Frage: Handelt es sich bei der Subvention des Braunschweiger Hafens um jährliche Zuschüsse, oder ist es ein einmaliger Posten aus der Anfangszeit des Hafens, der in jedem Jahr erneut aufgeführt wird, aber aufgrund des Umsatzes unterschiedlich hoch ausfällt?
    Wir hatten bei der Stadt Braunschweig angefragt, aber leider nur die Antwort bekommen, dass die Stadt darüber keine Auskünfte erteilt.
    Wir werden das weiter verfolgen.

  • #3

    Frage (Dienstag, 02 Februar 2021 10:50)

    Es ist keine Subvention im eigentlichen Sinne, da ein tatsächlicher Sachwert auf der Aktiv Seite entgegensteht. Es könnte statt eines Sonderpostens auch eine Verbindlichkeit bei der Bank sein (z.B. für den Kauf eines Krans).
    Die Stadt Braunschweig muss den laufenden Betrieb des Hafens NICHT subventionieren, da ein Gewinn erwirtschaftet wird und 223 T€ hiervon sogar an die Stadt abgeführt wird (S. 57).

  • #4

    Martin Becker (Donnerstag, 04 Februar 2021 17:59)

    Wenn ich den Kommentar richtig verstehe, geht es um das Geschäftsjahr 2017, also den Beteiligungsbericht 2019.
    Die Summe von 223.000 € wurde zwar an die Stadt Braunschweig abgeführt, es scheint aber so zu sein, dass dies erst erfolgte, NACHDEM der Hafen mit 5.168.000 € gefördert wurde. Wir interpretieren das so, dass ein Verlust von 4.945.000 € entstanden zu sein scheint.
    Da scheint es Parallelen zum Bohmter Hafen zu geben.
    Für die HWL-GmbH haben sich die Gesellschafter zum Verlustausgleich verpflichtet, der als Vorschuss gezahlt wird. Also eine ähnliche Konstruktion: Die HWL-GmbH wird zu Jahresbeginn subventioniert und wenn am Ende des Jahres davon etwas übrig bleibt, wird es als "Gewinn" deklariert und kann wieder zurück gehen.
    Grundsätzlich scheint der Braunschweiger Hafen sehr wohl subventioniert zu werden, weil der Beteiligungsbericht ausführlich darüber berichtet, wie die Subventionen mit dem EU-Recht in Übereinstimmung gebracht werden können.
    Aber nochmal, wir haben an kompetenter Stelle angefragt, um diese Frage zu klären, also warten wir das ab.