Aufgewärmte Luft

Jubelprosa in der der NOZ

Die Neue Osnabrücker Zeitung bzw. das Wittlager Kreisblatt berichtete am 16. November über den Hafen Wittlager Land (HWL) in „Leckermühlen“ (sic!) [hier oder unten]. Darin wird verkündet, dass der Zeitplan eingehalten und der Hafen planmäßig den Betrieb aufnehmen würde. „Die ersten zwei Schiffe“ seien bereits entladen worden, die Arbeiten am Hafengelände weitgehend abgeschlossen. Pächter seien die Firma ND-Energie mit einer Biomethangas-Anlage, sowie zwei Agrar-Genossenschaften, die den Hafen gemeinsam betreiben wollen. Die HWL-Geschäftsführerin wird mit den Behauptungen zitiert, dass der Schiffstransport schneller als LKW-Transporte gewesen sei, und dass sie in Zukunft ca. 150 Schiffe pro Jahr in Bohmte erwarte (40-60 für die Biomethangasanlage, 90 für den „Regioumschlag“).

Der Bericht ist gleich mehrfach korrekturwürdig:

Die Firma ND-Energie pachtet keine Hafenfläche, sondern siedelt sich auf Gewerbeflächen außerhalb des Hafens an. Sie benötigt auch keinen Schiffsverkehr, sondern bezieht ihre Rohstoffe per LKW. Falls (!) in Zukunft geeignete Umschlageinrichtungen vorhanden seien sollten, soll zwar ein Teil der dort entstehenden Gärreste per Binnenschiff abtransportiert werden, allerdings sind dafür nur 40.000 t vorgesehen, das wären nicht 40 bis 60, sondern 16 Schiffe pro Jahr. Jedoch wurde auf dem öffentlichen Erörterungstermin am 28.8.2024 deutlich, dass der Schiffsumschlag lediglich eine spätere Option ist. Geplant und beantragt wurde, dass die Reststoffe per LKW von der Südoldenburger WDV GmbH in Bakum abgenommen werden.

Also wird in naher Zukunft kein einziges Schiff für die Biogasanlage den Hafen anlaufen.

Auch ist es nicht so, dass die Biomethangasanlage in trockenen Tüchern ist. Es wird zwar gebaut, aber nur mit einer vorläufigen Genehmigung. Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt in Oldenburg hatte einen vorzeitigen Baubeginn mit der Bedingung erlaubt, dass alles wieder zurückgebaut wird, falls die endgültige Genehmigung versagt wird. Gegen den Bau sind mehrere Einwände vorgebracht worden, u.a. wird das Fehlen von Energie- und Klimabilanzen kritisiert. Die Fa. ND-Energie weigert sich, solche Bilanzen vorzulegen, das Genehmigungsverfahren ist noch offen.

Bei dem im NOZ-Artikel dargestellten Schiffsumschlag (die erwähnten zwei Schiffe) handelt es sich um Massengut (Straßenschotter) für den Bau der Biomethangasanlage – also eher interner (Hafen-)Verkehr als externer Auftrag, der auch nicht von einem Hafenbetreiber, sondern von der HWL-GmbH selbst durchgeführt wurde.

Weil es aber bereits ziemlich viele Massenguthäfen in der Region gibt (im Schnitt alle 6,3 km), ist es höchst unwahrscheinlich und vollkommen unbegründet, dass dieser zusätzliche Hafen 90 Schiffe pro Jahr von anderen Häfen abwerben kann. Doch die HWL-GmbH weigert sich hartnäckig, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen, um ihre Annahme zu begründen.

Der nächste Massenguthafen ist in Wehrendorf, ca. 4 km vom HWL-Standort entfernt (ehemaliges Wagner-Gelände) und im Besitz der RWO-Genossenschaft, eine der beiden Genossenschaften, die sich angeblich in Bohmte ansiedeln wollen. Es ist hochgradig unverständlich, warum die Genossenschaft diesen etablierten Standort aufgeben, 4 km weiter ziehen und dort neu bauen soll. Fragt man bei beiden Genossenschaften nach, verweigern sie eine Antwort und verweisen auf die HWL-GmbH, scheinen also kein sehr großes Interesse an dem Thema zu haben. Auf der Homepage der RWO findet sich dazu gar nichts, die Landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaft Damme (LBD) bietet lediglich eine alte Notiz, die sich auf eine Pressemitteilung vom 10. Februar 2022 (aus unbekannter Quelle) bezieht, in der damals die Gründung einer „gemeinsamen Standort-Betreibergesellschaft“ namens „RegioPort Bohmte“ angekündigt wurde. Laut Handelsregister ist die Gründung der Gesellschaft bis heute, also fast drei Jahre später, noch immer nicht erfolgt.

Für die Genossenschaften werden also – wenn überhaupt – auf absehbare Zeit ebenfalls keine Schiffe den Hafen anlaufen.

Insgesamt suggeriert der Artikel: „jetzt geht’s los“. Schaut man aber genauer hin, ist das alles nur heiße Luft. Außerdem hatte die HWL-GmbH bereits im September 2023 den ersten Schiffsumschlag gemeldet, also verkündet der Artikel nicht einmal heiße, sondern lediglich aufgewärmte Luft. Eigentlich ist im ganzen Jahr 2024 nicht viel passiert, wie das Foto vom 18. Februar 2024 zeigt. Warum lanciert die HWL-GmbH jetzt diesen Artikel?

 

https://www.hafen-bohmte.de/news/109-schwerlastumschlag-gestartet
HWL-Hafenanlage am 18.2.2024 mit fertiggestellter Kaianlage und Landstromanlage, aber Binnenschiff "Thorsten" nutzt ihn nicht

Vielleicht, um von ihrem Legitimationsproblem abzulenken. Ein Containerhafen, wie ursprünglich geplant, hat aufgrund der zu niedrigen Brücken keine Chance. Ein Massenguthafen, zu dem die Planung dann umschwenkte, ist aber überflüssig, weil die Hafendichte bereits jetzt schon sehr groß ist. Es stellt sich daher die Frage, warum öffentliche Mittel (mind. 20 Mio. €) für diesen Hafen verbraucht werden.

Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für diesen Artikel könnten Fristen für Fördergelder sein. Die HWL-GmbH nimmt Fördermittel der N-Bank in Höhe 5,378 Mio. € aus dem Programm zur Stärkung CO2-armer Verkehrsträger in Anspruch. Wir hatten deutliche Kritik an dieser Förderung geäußert, weil wir keine CO2-Reduktion erkennen können.

Wie dem auch sei, dieser Artikel argumentiert nicht, er behauptet. Und nicht zum ersten Mal sind sämtliche HWL-Behauptungen falsch.

 

 


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NOZ-Artikel "Rund 150 Schiffe pro Jahr erwartet" vom 16.11.2024
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Screenshot HWL-Homepage, abgefragt 30.11.2024
schwerlastumschlag_gestartet.jpg
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Kommentare: 9
  • #1

    ### (Montag, 02 Dezember 2024 22:03)

    Es gibt noch einen Grund für diesen Artikel: Die Wirkung nach innen. Die Reihen der politischen Gremien sollen geschlossen werden, damit keiner ausschehrt. Dazu wird ihnen ein schönes Bild vorgegaukelt. Die Gremien könnten ja den Geldhahn zumachen, das muss verhindert werden. Also wird immer mehr Geld in ein immer größer werdendes Loch geworfen.

  • #2

    JürgenSolbrig (Dienstag, 03 Dezember 2024 18:53)

    Es ist daß eingetreten was ja von vielen Kritikern vorausgesagt wurde.Es ist ja nicht so schlimm,sind ja nur Steuergelder.Leider gibt es wohl keine Politiker mehr die Rückgrad haben. Schade.

  • #3

    Königin (Donnerstag, 05 Dezember 2024 07:11)

    Habe ich das richtig gelesen, dass nur 1 Schiff gezählt wurde, die LKW aber addiert um auf den schnelleren Transport zu kommen?
    DAS nenne ich doch mal eine Milchmädchenrechnung!

  • #4

    König (Samstag, 07 Dezember 2024 11:13)

    Die öffentliche Hand hat einen privaten Agrarhafenbetreiber aufgekauft nur um diesen Hafen dann anderen Agrarhafenbetreibern zu überlassen?
    Wo ist denn da der Sinn?

  • #5

    123 (Dienstag, 10 Dezember 2024 10:41)

    Ihr tretet der hwl ja ganz schön vors Schienbein. Habt ihr keine Angst das die zurücktreten?

  • #6

    ohne (Dienstag, 10 Dezember 2024 11:46)

    Im August 2023 hatte die HWL selbst davon gesprochen, dass sich die Biogasanlage "NEBEN", nicht im Hafen ansiedelt https://www.landkreis-osnabrueck.de/presse/pressestelle/pressemeldungen/62077-neuer-paechter-fuer-gewerbeflaeche-am-hafen-wittlager
    "... Der neue Pächter für die Gewerbefläche, die sich unmittelbar neben dem neu entstehenden Hafen Wittlager Land befindet,...

  • #7

    mit (Samstag, 14 Dezember 2024)

    ... und jetzt wird die Biogasanlage einfach mal so eingemeindet.

  • #8

    Gegen den Hafen (Samstag, 14 Dezember 2024 16:11)

    Ich bin auch gegen den Hafen und die Steuerverschwendung der Gemeinde Bohmte.
    Aber eure Rechnung 40000t durch 16 Schiffe wären 2500 Tonnen pro Schiff.
    Solche Schiffe fahren sehr selten auf dem Mittellandkanal. Die meisten haben 1300-1700 Tonnen Zuladung, wenn man dann 1500 Tonnen annimmt wären es 27 Schiffe. Ist auch nicht die angenommene Zahl der Gemeinde. Zu dem Schiff Thorsten das liegt seit über einem Jahr, nach meinem Wissen ist der Besitzer verstorben und es geht um Erbstreitigkeiten und wenn keiner an Bord ist braucht das Schiff auch kein Land Anschluss. Von meinem Informanten habe ich gehört dass nicht die Venner und Wehrendorfer Genossenschaften sondern aus Melle den Hafen übernehmen sollen. Die rechnen mit 85 Schiffen Umschlag für den Hafen und 5 für die Biogasanlage und 24 Stunden Entladung.

  • #9

    Martin Becker (Sonntag, 15 Dezember 2024 11:14)

    @ "gegen den Hafen"
    - die Rechnung mit den 16 Schiffen kommt vom Kommentator "ABC" auf unserer im Artikel angegebenen Webseite. Dort hat er auch 2.500 t pro Schiff (Binnenschiffsklasse V) angegeben. Weil die HWL ihr Projekt u.a. damit begründet, gerade für diese Schiffe Lademöglichkeiten anzubieten, ist die Rechnung zumindest nachvollziehbar.
    - Auf "Thorsten" brannte / brennt immer mal Licht, scheint also nicht ganz verlassen zu sein.
    - Tatsächlich ist die Meller Raiffeisen-Genossenschaft Teil der "Raiffeisen Warengenossenschaft Osnabrücker Land eG" (RWO), die 2015 den Kanalstandort Max Wagner Holzhandel in Bad Essen-Wehrendorf als "Alleingesellschafter" übernommen hatte. Max Wagner hat inzwischen aufgehört, der Hafen wird nun von der RWO betrieben, die mit den Vorteilen für alle Mitgliedsgenossenschaften wirbt:
    "Zwischen dem Zusammenschluss zu größeren Einheiten und der Leistungssteigerung besteht ein enger Zusammenhang:
    Die Zahl der Genossenschaften ging im Wesentlichen durch Zusammenlegung mehrerer Genossenschaften zurück, woraufhin die Umsätze stiegen."

    Aber wir würden uns gerne mit Dir oder Deinem Informanten treffen. Melde Dich gerne unter info@containerhafen-bohmte.de